Brake / Delmenhorst.
Spitz zulaufende
schwarze Lederstiefel, eine leicht rauchige Stimme, aber ein Schnuller am
Schlüsselbund. Hinter dem
rauh
wirkenden Äußeren der
40-Jährigen im beigefarbenen Wollpulli scheint es noch etwas anderes zu geben.
„Alleine hätte ich es nicht geschafft“,
erzählt die Mutter mehrerer Kinder – nennen wir sie Sandra – bei einem Besuch
von Caritasdirektor Dr. Gerhard Tepe im „Haus des Lebens“ in Brake (Landkreis
Wesermarsch). Der Anlass: die bundesweite Caritas-Kampagne 2013 „Familie
schaffen wir nur gemeinsam“.
Seit zwei Jahren bewohnt die Frau mit den
langen dunklen Haaren eine von fünf Wohnungen, die es in der
Braker
Caritas-Einrichtung für alleinerziehende Mütter mit
ihren Kindern gibt.
Durch das Jugendamt dorthin vermittelt, „war
das der Strohhalm, den ich ergriffen habe, um nicht zu ertrinken“, erzählt
Sandra. Durch ihr Leben sei sie früher in Schlangenlinien gelaufen und habe
ihre Kinder neben sich hergezogen. „Muster, in die ich nie mehr zurückfallen
möchte“, sagt Sandra. Braucht sie hoffentlich auch nicht, denn: Demnächst zieht
Sandra mit ihrem Verlobten zusammen und verlässt damit ihre Heimat auf Zeit.
Die große Chance im ‚Haus des Lebens‘, für
das es Anfragen aus dem ganzen Bundesgebiet gibt: Im Erdgeschoss befindet sich
eine reguläre Kindertagesstätte, in die Kinder aus ganz normalen bürgerlichen
Familien ebenso gehen wie die, die im Obergeschoss des Hauses wohnen und denen
das Leben in jungen Jahren schon einiges abverlangt hat.
Für Tepe ein gelungener Ansatz: „Als Caritas
wollen wir uns gerade um die Familien kümmern, die nicht mehr dem klassischen
Ideal von Mutter, Vater und zwei Kindern entsprechen.“ Um jene Menschen, die
Familie nicht mehr alleine schaffen würden.
Und davon gebe es nicht wenige, berichten die
Verantwortlichen in Brake: keine Tagesstruktur, immer mehr psychische
Erkrankungen bei Müttern oder beispielsweise die völlige Unfähigkeit, etwas zu
kochen.
Wörtlich fällt letzter Satz auch beim Besuch
des Caritasdirektors in der Kindertagesstätte St. Christophorus in Delmenhorst.
„Ich habe noch nie im Leben einen Kuchen gebacken“, gibt Leiterin Käthe
Seltenhorn das Geständnis der Mutter eines fünf- und zweijährigen Kindes
wieder. Zu Hause den Tisch decken, Atmosphäre schaffen: „Das verliert sich oft
in der Hektik des Alltags.“
Möglicherweise ein äußeres Merkmal für den
2013er Satz der deutschen Caritas „Familie schaffen wir nur gemeinsam.“
Gemeinsam, das heißt im Beispiel Delmenhorst zusammen mit dem Ratgeber-Fundus
der Erzieherinnen einer Kindertagesstätte, die auch den Titel trägt ‚Haus für
Kinder und Familien‘.
Zugegeben habe sich das Verständnis von
nicht-klassischen Familien verändert, berichtet Seltenhorn. „Das wollte man
nicht so akzeptieren“, erinnert sich die Leiterin der katholischen Einrichtung
an früher. Der Blick auf Familien aber habe sich verändert. „Wir blicken heute
viel wertschätzender auf Eltern.“
„Eltern bitten immer häufiger um Hilfe – bei
Trennung oder wenn sie nicht weiter wissen“, sagt Seltenhorn. Ihr Ziel: „Den
Eltern noch mehr unter die Arme greifen.“ Damit der Schnuller nicht bei den
Eltern ist, sondern bei den Kindern.
Dietmar Kattinger
Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel. 04441/8707-640